Im Februar 2014 führte mich und meine Frau Paula unser dritter Einsatz für GDCI / Zahnärzte für Indien nach Neyyoor in Tamil Nadu, einen kleinen Ort unweit der Südspitze des indischen Subkontinents. Da das geliebte Dentomobil, mit dem ich die beiden ersten Einsätze unterwegs war, noch in Bangalore instandgesetzt wurde, behandelte ich zum ersten Mal "stationär", angegliedert an das örtliche Missionshospital, in der dort von unserem Verein eingerichteten Zahnstation.
Der von unserem indischen Partner CCCYC aus Bangalore hervorragend organisierte Ablauf sah in der Regel eine frühmorgendliche Fahrt in Einrichtungen für Schulkinder vor. Teilweise um sechs Uhr am Morgen wurden wir von unserem umsichtigen Fahrer Mr. Nixon (der heißt wirklich so) und der erfahrenen und fast immer lachenden Heimleiterin Smiley Bama (auch die heißt wirklich so; fast wie "Obama"! Gleich zwei amerikanische Präsidenten zu unserer Begleitung!!) abgeholt und zum Screening in die Kinderheime gefahren.
Wie immer gab es ein herzliches Willkommen, eine gut organisierte "Reihenuntersuchung" unter freiem Himmel, was zu der frühen Stunde auch von der Temperatur her noch gut erträglich war und anschließend, nachdem die Kinder sich auf den Weg zur Schule gemacht hatten, ein ausgiebiges indisches Frühstück aus der Küche des Kinderheims. So gestärkt machten wir uns auf den Weg zur nächsten Etappe, meist ein Day Care Center, in dem jüngere und somit noch nicht schulpflichtige Kinder während der Arbeitszeit ihrer Eltern untergebracht sind. Die Angst vor Unbekanntem, weißen Menschen oder auch "dem Zahnarzt" war für die Kleinen manchmal schon eine Herausforderung, aber mit viel Geduld, freundlicher Zusprache und vor allem der Hilfe unserer indischen Schwester Jini, waren doch alle bereit, einen kurzen Blick in ihren Mund zuzulassen.
Dann ging es mit Mr. Nixon zurück zu unserer Bleibe, dem wirklich komfortablen Gästezimmer im Polioheim in Neyyoor, nur fünf Minuten vom Krankenhaus entfernt. Das Frühstück noch kaum verdaut, wurden wir erneut zu Tisch gebeten. Sehr schmackhaftes, natürlich für uns entschärftes aber immer noch "sehr würziges" indisches Essen, aus den frischesten Zutaten die man sich denken kann, stilecht aus Blecheimern auf einem Bananenblatt serviert. Es schmeckt wunderbar und die indische Gastfreundschaft erträgt es manchmal kaum, wenn man nach zwei Tellern/Blättern, eigentlich noch völlig gesättigt vom reichhaltigen Frühstück, einfach nichts mehr essen kann.
Nach einer kurzen Mittagspause ging es dann zum Hospital, um die am Vormittag untersuchten Kinder zu behandeln. Leider mussten wir immer wieder feststellen, dass nicht alle Kinder mit Behandlungsbedarf auch tatsächlich in die Zahnstation kamen. Nach wiederholten Recherchen stellte sich heraus, dass Eltern und auch teilweise die Erzieher besorgt waren, weil Gerüchte von Problemen wie Nachblutungen etc. aus der Vergangenheit kursierten und sie im Endeffekt von ihrer Zustimmung zur Behandlung ihrer Kinder abhielten.
Das stimmte uns etwas traurig, weil wir somit nur einen Teil der notwendigen Maßnahmen durchführen konnten. Auf der anderen Seite war so viel zu tun, dass wir nie vor Einbruch der Dunkelheit das Hospital verließen und eine Behandlung aller Kinder kaum möglich gewesen wäre. Dabei zeigte uns die Erfahrung in unserem Polioheim, dass im direkten Kontakt mit den Eltern, die bei der Untersuchung ihrer behinderten Kinder dabei waren, sehr wohl Vertrauen und Akzeptanz für die Behandlung geschaffen werden kann, denn diese Kinder kamen alle! Und gerade die Betreuung dieser "besonderen Kinder", die in Indien, wie ich finde, sehr wertschätzend "partially unabled" genannt werden, brachten uns die schönsten Momente.
Etwa ein Drittel der besuchten Einrichtungen waren Heime mit behinderten Kindern. Deren Behandlung, über alle Schwierigkeiten hinweg, bis hin zum Beruhigen durch Singen deutscher Kinderlieder und herzlichen Umarmungen strahlender und stolzer junger Patienten zum Schluss, war eine wunderbare Entlohnung für die doch manchmal heftigen Strapazen.
Und bei all dem war unsere indische Schwester Jini das Beste, was uns in diesen Wochen passieren konnte: Jini war Übersetzerin, Organisatorin, Assistenz bei der Behandlung, Hygienebeauftragte, was sicher eine besondere Herausforderung war und in Indien etwas anderes als in Deutschland bedeutet, Reiseführerin und am Ende auch ein bisschen Tochter und Freundin zugleich.
Ihr und Priamani, unserer Herbergsmutter und Heimleiterin gilt noch einmal unser besonderer Dank. Wir hoffen sie bald wiederzusehen. Spätestens bei unserer nächsten Reise in dieses faszinierende und besondere Land.